Neumond und Sonnenfinsternis.
Teil 1
Aus kosmologischer Sicht sowie im Kontext der vedischen Wissenschaft, welche über den Tellersand moderner Naturwissenschaften und des täglichen Wetterberichts hinausblickt, durchlaufen wir aktuell äußerst komplexe und turbulente Zeitfenster. Es handelt sich um eine wichtige Zeit der Reflexion und der Umkehr. Der Versuch, das Thema in zwei Beiträgen zu beschreiben, erfolgt in der Erkenntnis, dass auch bei einer annähernden Vollständigkeit der Darstellung kein komplettes Bild entstehen kann. Die darauf folgenden kommenden neun Tage sind für unsere Generation besonders wichtig für innere und spirituelle Arbeit und Selbstreflexion.
Amavashya, der Neumond, wird in der indischen Mythologie als eine Zeit der Transformation und tiefen spirituellen Einkehr betrachtet. Die Dunkelheit des Himmels symbolisiert das Leere, aus dem alles entsteht und in das alles zurückkehrt. Es ist ein Moment, in dem die Schleier zwischen den Welten dünner werden und die Grenzen des Menschlichen und Göttlichen verschmelzen. Was verbirgt sich hinter dieser dunklen Stille? Ist es das Nichts oder der Beginn eines neuen Zyklus?
Die Legende von Amavashya und dem verborgenen Wissen
Vor langer Zeit, als die Götter und Dämonen noch auf der Erde wandelten, herrschte Unruhe im Himmel. Die Götter hatten das Amrit, das Nektar der Unsterblichkeit, aus dem kosmischen Ozean geschöpft, und die Dämonen verlangten nach ihrer Hälfte. Vishnu, der Beschützer, in seiner List als die wunderschöne Mohini, hatte die Dämonen bereits hinters Licht geführt, doch ihre Gier nach Macht war nicht erloschen. In den Nächten der Amavashya, wo der Mond verschwunden war, nutzten die Dämonen die Finsternis, um nach neuen Wegen zu suchen, das göttliche Wissen zu stehlen.
Inmitten dieser Unruhen gab es einen Rishi, einen Weisen namens Amavas, der für seine Weisheit und Meditation berühmt war. Er war tief verbunden mit den Zyklen des Mondes und verstand, dass die Dunkelheit nicht das Ende war, sondern der Beginn eines neuen Zyklus. Die Götter baten ihn um Hilfe, denn Amavas konnte in der Dunkelheit des Neumondes Einsichten und Visionen empfangen, die anderen verborgen blieben.
Eines Nachts, während der Amavashya, als die Welt still und der Himmel leer war, setzte sich Amavas auf den Gipfel des höchsten Berges. Seine Augen schlossen sich, und er begann, tief zu meditieren. Plötzlich erschien ihm ein helles Licht in der Finsternis. Es war Devi Saraswati, die Göttin der Weisheit, die ihm die Geheimnisse des verborgenen Wissens enthüllte. Sie sprach: „Amavas, in der Dunkelheit liegt das wahre Licht verborgen. Nur jene, die in die Stille eintauchen, finden den Weg zur Quelle des Wissens. Du wirst das Wissen schützen, indem du es mit der Reinheit deines Geistes bewahrst.“
Mit diesen Worten übergab Saraswati dem Rishi ein Buch aus reinem Licht, das Wissen enthielt, das selbst die Götter nicht kannten. Dieses Buch war kein gewöhnliches Buch; es konnte nur in der Dunkelheit gelesen werden, wenn der Mond vollständig verschwunden war und die Welt in Schweigen gehüllt war. Amavas wusste, dass dieses Wissen sowohl ein Segen als auch eine Bürde war, denn es konnte die Welt verändern, wenn es in die falschen Hände geriet.
Die Dämonen, die von dieser Gabe erfuhren, versuchten immer wieder, das Wissen zu stehlen. Doch jedes Mal, wenn sie in die Nähe des Weisen kamen, verschwand das Buch aus ihren Augen, verborgen in der unendlichen Dunkelheit. Die Finsternis, die sie als ihre Verbündete betrachteten, war zu ihrem größten Feind geworden.
Der innere Neumond
In dieser Legende von Amavashya erkennen wir, dass die Dunkelheit des Neumondes nicht als etwas Negatives oder Bedrohliches verstanden werden sollte. Vielmehr symbolisiert sie den Raum, in dem das verborgene Wissen und das unendliche Potenzial ruhen. So wie Amavas das göttliche Wissen durch Meditation und Hingabe erhielt, so können wir in den Nächten des Neumondes nach innen schauen, um die tiefsten Wahrheiten über uns selbst und das Universum zu entdecken.
Amavashya erinnert uns daran, dass wahres Wissen nicht in der äußeren Welt zu finden ist, sondern tief in uns selbst verborgen liegt. Der Neumond fordert uns auf, die Dunkelheit zu umarmen und den Mut zu finden, in unser eigenes Inneres zu schauen. Wie der Rishi Amavas können auch wir in der tiefsten Stille die strahlendsten Einsichten empfangen.
Wie der Yogi Ramakrishna einst sagte: „Wahre Weisheit kann nur im stillen Geist erblühen.“
Die Legende von Amavashya und dem Weisen Amavas zeigt uns, dass die Dunkelheit des Neumondes eine Quelle der Weisheit und inneren Einsicht ist. Sie lädt uns ein, nicht vor der Leere oder dem Unbekannten zurückzuschrecken, sondern in die Stille einzutauchen und nach dem verborgenen Licht in uns selbst zu suchen. In dieser stillen Phase liegt das Potenzial für Erneuerung und Transformation – sowohl im äußeren als auch im inneren Leben.
Amavashya lehrt uns, dass jede Dunkelheit vorübergeht und ein neuer Zyklus beginnt. Wir sollten in Momenten der Unsicherheit und Stille ruhig bleiben, tief durchatmen und Vertrauen in den natürlichen Fluss des Lebens haben. Die Dunkelheit ist nur eine Einladung, innezuhalten, uns zu besinnen und Kraft für den nächsten Schritt zu schöpfen. Bleibe ruhig, atme tief und lasse das Licht der Erkenntnis in dir aufsteigen, genau wie es in der Stille des Neumondes geschieht.
Neumond und Sonnenfinsternis 02.10.2024 Teil 1